Flucht auf die Wiener Hausberge vor dem Hochnebel

Besonders im Herbst und Frühwinter kann der Hochnebel sehr zäh über dem Wiener Becken liegen. Das tagelange trübe Wetter schlägt sich dann oftmals auf das Gemüt nieder, und der Wunsch nach Sonne wird stark. Doch welcher der Berge in der Umgebung ist für einen Ausflug über die Nebeldecke geeignet? Eine statistische Antwort auf diese Frage soll diese Untersuchung geben.

Filterung der Hochnebeltage

Zu Beginn dieser automatischen Auswertung müssen Tage mit Hochnebel über Wien definiert und gefiltert werden. In Stufe 2 wird ausgewertet, wie oft an diesen Tagen auf den umliegenden Gipfeln und beliebten Wanderzielen die Sonne zum Vorschein kommt. Ein Beispiel für einen solchen Hochnebeltag über Wien ist der 27.11.2020, an welchem auch das untenstehende Satellitenbild (Abbildung 1.1) aufgenommen wurde.

Die verwendeten Daten

Am besten eignen sich für diese Auswertung die SYNOP-Daten. Dieser Datensatz ist besonders für Fragestellungen geeignet, bei welchen die Antwort auch auf Beobachtungsgrößen beruht. Für dieses Fallbeispiel werden folgende zwei Parameter aus dem SYNOP-Datensatz von der Station Wien-Hohe Warte für die Jahre 2011 bis 2020 vom Datenportal der ZAMG heruntergeladen:
- Ns1 - Bedeckungsgrad der tiefsten Wolkenschicht
- h - Höhe der tiefsten Wolken

Diese Parameter werden bei SYNOP-Daten nicht direkt übermittelt, sondern unterliegen einer international geregelten Codierungsvorschrift. Diese kann in der Übersicht des SYNOP-Datensatzes heruntergeladen werden (Synop Blatt 1 und Synop Blatt 2). Hat der Parameter h beispielsweise den Werte 3, so wird zum Beobachtungstermin eine Wolkenuntergrenze von 200 m bis 300 m beobachtet, die Schlüsselziffer 4 steht für 300 m bis 600 m und die Zahl 5 für 600 m bis 1000 m. Die Ziffern 0 bis 8 geben beim Parameter Ns1 den Bedeckungsgrad in Achteln an. Schlüsselzahl 9 steht für "Himmel nicht erkennbar".

Die Filterung

Um nun einen Tag als Hochnebeltag zu klassifizieren wurden mithilfe der heruntergeladenen Daten folgende zwei Bedingungen aufgestellt:
1) Tagesmittel(Ns1) >= 7 Achtel
2) Tagesmaximum(h) <= 4 (Wolkenuntergrenze 300 m bis 600 m über Grund)

Durch diese Annahmen werden automatisiert Tage ausgewählt, an welchen den größten Teil des Tages eine nahezu geschlossene Wolkendecke in maximal 600 m über Grund liegt. In der Periode von 01.01.2011 bis 31.12.2020 traten nach dieser Filterung 126 Hochnebeltage auf, was einem Durchschnitt von 12,6 Hochnebeltagen pro Jahr entspricht. Hierbei ist anzumerken, dass die angewandte Filterung sehr streng ist und nahezu ausschließlich durchgehend trübe Tage mit maximal kurzen Auflockerungen zulässt. Die gefühlte Zahl der jährlichen Hochnebeltage mag durch trübe Vormittage, aber anschließend sonnigere oder von höher gelegenen Wolken begleitete Nachmittage, höher sein als von diesen Schwellwerten berücksichtigt.

Appendix / Bilder

Zusammenführung mit Daten der Sonnenscheindauer

Die aus Stufe 1 gefilterten Hochnebeltage sollen nun mit Messwerten des Sonnenscheins in Verbindung gebracht werden. Hierfür werden die Messstationen bei der Jubiläumswarte am Wilhelminenberg im Westen Wiens (Seehöhe 449 m) und auf der Hohen Wand beim Hochkogelhaus (937 m) herangezogen. Um eine aussagekräfteigere und vor allem auch umfangreichere Statistik zu erhalten, wird neben diesen Messdaten auch auf berechnete Werte des APOLIS-Kurzzeitdatensatzes zugegriffen. Hierfür werden Gitterpunktzeitreihen in täglicher Auflösung von folgenden Standorten heruntergeladen:
- Schöpfel, mit 891 m der höchste Berg des Wienerwaldes
- Muckenkogel, liegt oberhlab von Lilienfeld und ist 1248 m hoch
- Gippel, liegt in den Mürzsteger Alpen und hat Höhe von rund 1669 m
- Schneeberg, der höchste Berg Niederösterreichs mit einer Höhe von 2076 m

Tabelle 2.1 fasst die genannten Standorte aus Mess- und APOLIS-Daten zusammen. Sowohl von den Mess- als auch APOLIS-Daten wird in täglicher Auflösung der Parameter Sonnenscheindauer heruntergeladen.

Die Auswertung der Sonnenscheindauern

Im nächsten Schritt werden die in Stufe 1 126 Hochnebeltage über Wien auf den einzelnen Bergen betrachtet. Scheint nach den vorliegenden Daten an einem von diesen Tagen zumindest zwei Stunden die Sonne, so wird dieser Tag als außerhalb des Hochnebels klassifiziert.

Die Ergebnisse

Abbildung 2.1 zeigt die Auswertungsergebnisse dieser Filterung. Wenig überraschend spielt die Höhe der betrachteten Berge eine ausschlaggebende Rolle. Je höher der abgefragte Standort liegt, desto wahrscheinlich ist es auch, dass dieser aus dem Hochnebel ragt und das Minimum von 2 Stunden Sonnenschein registriert werden kann. Der in Wien gelegenen Wilhelminenberg und die darauf befindliche Jubiläumswarte dient in dieser Auswertung am seltensten zur Flucht aus dem Hochnebel. Im Durchscnitt sieht man hier an rund 2,4 % der in Wien vom hochnebel bestimmten Tage die Sonne für zumindest 2 Stunden.

Spannend ist allerdings, dass der erste Platz dem zweithöchsten Berg (dem Gippel mit 1669 m) gehört und sich dieser ihn nahezu ex-aequo mit dem Schneeberg teilt. Ein nahe liegender Grund hierfür ist wahrscheinlich, dass der Hochnebel selten eine Mächtigkeit erreicht, die über den Gippel hinausreicht. Zusätzlich sollten aber auch etwaige dynamische Gründe nicht vernachlässigt werden:

Hochnebel bildet sich bevorzugt bei Südostwind über Wien. Genau bei dieser Anströmungsrichtung liegt jedoch auch der Gippel schon im Lee der höheren Berge Schneeberg, Rax oder Hochschwab. Dadurch kann es zu einer Abtrocknung oder besseren Durchmischung am Oberrand einer Inversion kommen, was die Wolkenobergrenze über dem Gippel reduzieren würde.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Berge in oder direkt rund um Wien nur äußerst selten reichen um dem Hochnebel zu entfliehen. Die Chancen steigen mit zunehmender Höhe jedoch stark an. Vor allem der Schneeberg dürfte mit seiner Aufstiegshilfe der Zahnradbahn ein heißer Tipp für ein paar Sonnenstrahlen an einem herbstlichen Wiener Hochnebeltag sein.

Eine noch genauere Auswertung in dieser Frage ließe sich mithilfe von Radiosondendaten machen. In den Wetterballonaufstiegen können Inversionen, die hauptverantwortlich für Hochnebel sind, und ihre Obergrenzen deutlich erkannt werden.

Appendix / Bilder

Datensätze

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Etwa 150 der ca. 270 teilautomatischen Messstationen (TAWES) werden als SYNOP-Stationen klassifiziert. An etwa 65 Standorten werden neben automatischen Messungen Zusatzbeobachtungen nach WMO-Kriterien von Betreuerinnen und Betreuern zu den...

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